Zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 und den 1848er-Revolutionen entsteht eine Epoche mit rasant boomender Kultur. Sie blüht nicht nur in den bürgerlichen Salons. Sie ist populär. Stiefelputzer wie Dienstmädchen lesen Romane und Gedichte. Handwerker reden über Schönheitssinn, Friseure über guten Geschmack. Kindermädchen lesen Goethe, E.T.A. Hoffmann und Heine. Wer es sich leisten kann, geht in Theater, Oper und Konzert. Die Kultur-Euphorie lässt erst nach, als Industrie, Kapitalismus und Eisenbahn Fahrt aufnehmen.
… der hatte meine vierhändigen Hebriden! schreibt Mendelssohn, nachdem er 1833 im Salon des Textilfabrikanten Kyllmann die druckfrischen Noten seiner Hebriden-Ouverture vorfindet und sie gleich mit dem Gastgeber spielt. 1829 hatte er die Hebriden bereist und eigene Zeichnungen mitgebracht, die die Landschaft so beeindruckend schauerlich-romantisch wiedergeben wie die Töne seiner Ouverture.
Der Mitbegründer der Niederrheinischen Musikfeste, Otto von Woringen, notiert nach einer Musiksoirée in seinem Hause: Alles was Felix in dieser Zeit componierte, seine Lieder ohne Worte, seine Heine-Lieder, einzelne Stücke aus dem Paulus brachte er hier zum Gehör. Über 400 Personen führen den Paulus 1836 in der Tonhalle Düsseldorf auf, erzählen Kindern und Kindeskindern von dem dramatischen Oratorium und musizieren Stücke daraus „nur“ mit Klavierbegleitung.
Auch Chopin ist damals Gast in rheinischen Häusern. Ferdinand Hiller, der bestens vernetzte Leiter des Gürzenich-Orchesters wie des Konservatoriums, bringt ihn aus Paris mit und lässt den noch unbekannten 23-jährigen brillieren: der hatte kaum einige Tacte gespielt, als alle Anwesenden wie verwandelt auf ihn hinschauten – so etwas hatte man nie gehört. Verzückt verlangte man mehr und immer mehr.
Als Robert Schumann – wie Heine Ehrendoktor der Bonner Universität – 1850 in Düsseldorf Nachfolger von Hiller wird, lädt auch er zu Salon-Musik ein. 1853 kommt Brahms zu Besuch und hat eigene Kompositionen dabei. Schumann meint, er könne ihm die Sachen doch gleich vorspielen und beteuert nach wenigen Takten: …dazu muß ich meine Frau rufen! Clara kommt dazu und ist begeistert. Der geniale junge Morgenbesucher bleibt vier Wochen, seine Musik bis heute.
Das Programm verweist auf eine der bedeutendsten Epochen-Schnittstellen der Geschichte. In einer Zeit, in der die Industrialisierung schnell fortschreitet, gibt es noch bürgerliche Zirkel, in denen die alte Zeit mit Ideen und Kultur der Aufklärung gegenwärtig ist. Die wenigen im Programm genannten Wirtschafts- und Industrievertreter haben damals viele Gleichgesinnte, die – wie heute – die Kultur fördernd erhalten wollen.
Das Konzert wird nur im Livestream auf www.deutschlandfunk.de/konzerte übertragen. Der Mitschnitt wird am 12.10. ab 21:05 Uhr im Deutschlandfunk Musik-Panorama gesendet.